Wein und Akustik

Für die Beurteilung von Wein stehen verschiedene objektive Kriterien zur Verfügung, und zahllose Bücher wurden über dieses Thema geschrieben. Dies trifft auch auf das Thema Raumakustik zu: Es gibt feste, messbare Kriterien, mit Hilfe derer wir, je nach Nutzung und Zweck eines Raumes, die Akustik messen, berechnen und anpassen können.

Doch genau wie beim Wein sind es auch in der Akustik gerade die subjektiven Kriterien, die dem Thema Farbe geben. Ein Wein kann “voll“, “tief“, “trocken“, “hart“, “schwer“ etc. sein, und dies trifft gleichermaßen auf die Akustik zu. Bitten Sie doch einmal einen Musiker, die Akustik in einem Saal zu beschreiben – Sie werden überrascht sein, wie sehr seine Beschreibung der eines Weinkenners ähnelt!

Jeder Mensch empfindet den Klang in einem Raum auf seine eigene, subjektive Weise. Der Klang sollte dabei immer zu dem Nutzungszweck des Raumes passen. Ein Großraumbüro sollte nicht wie eine Kirche klingen und ein Meetingraum nicht wie ein Badezimmer. In Räumen die hohl, kalt und hart klingen, fühlen wir uns klein und unwohl. Missklang, der durch starke Reflektionen entsteht, erhöht unseren Adrenalinspiegel und kostet uns unnötig viel Energie. In einem ”gedämpfteren“, ”wärmeren” Raum fühlen wir uns automatisch wohl und sicher, und als Folge davon können wir effektiver kommunizieren.

Komfort hat einen Klang!

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Hat die Akustik einen Einfluss auf den Geschmack von Wein? Ich persönlich finde ja, und vielleicht haben Sie dies selbst schon einmal bewusst oder unbewusst erfahren. Versuchen Sie sich einmal zu erinnern, wie Ihnen der Wein schmeckte in dem Restaurant mit der Kirchenakustik und wie dagegen in dem Lokal mit der intimen Akustik.

Sinneswahrnehmungen werden immer auch durch die übrigen, nicht direkt angesprochenen Sinne beeinflusst. Probieren Sie einmal, wie Ihnen ein leckeres Stück Fleisch schmeckt, das grün gefärbt wurde!

Bei der Gestaltung eines Raumes werden die eingesetzten Materialien, die Beleuchtung, Klimatisierung und Möbel an die Nutzung und das Gefühl angepasst, was der Benutzer (zusammen mit dem Innenarchitekten) erzielen möchte. Hierbei ist es wichtig, dass der Raum in derjenigen Funktion als komfortabel empfunden wird, die er erfüllen soll. Leider wird die Bedeutung der Raumakustik hier noch stets unterschätzt. Unbegreiflich ist auch, dass die Raumakustik auch bei der Ausbildung von Innenarchitekten noch stets keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Ein guter Wein wird mit Sorgfalt und Leidenschaft gemacht. Neben der Qualität der Traube sind die Lage und Pflege der Reben, das Ernten, Weiterverarbeiten und Reifen maßgebend für das Endergebnis. Eine Kombination von Tätigkeiten also, die, mit Sorgfalt und Hingebung ausführt, darüber entscheiden, wie der Wein letztendlich schmecken wird.

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Bei der Raumakustik ist es eigentlich genauso. Die Kombination vieler verschiedener Faktoren und Disziplinen und Ihre Feinabstimmung bestimmen letztendlich das Endergebnis. Hierbei kommt es vor allem darauf an, den Zusammenhang zu erkennen und die Faktoren aufeinander abzustimmen. Jede einzelne Form und jeder Bestandteil eines Interieurs hat letztendlich einen Einfluss auf die Akustik. Das blinde Hinzufügen von Elementen, um “Geräusche zu dämpfen“ ist genauso, wie Trauben in ein Glas zu schütten und zu denken, dass hieraus ein guter Wein wird.

Man kann folglich viele Parallelen zwischen Wein und Akustik ziehen. Leider gibt es bei dem Bewusstsein für die Bedeutung der Akustik noch viel Nachholbedarf, aber den Anstoß möchten wir hiermit gerne geben: Auf Ihr Wohl!

Carl Huijskens
Incatro Room Acoustics

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